Publié le 10 mai 2024

Entgegen der Annahme, dass Schweizer Wohlstand automatisch Glück bedeutet, ist er oft eine Quelle für unsichtbaren Stress und Leistungsdruck.

  • Hohe Lebenshaltungskosten und sozialer Druck schmälern die Vorteile hoher Einkommen und führen zu einem « Wohlstands-Paradox ».
  • Wahres Wohlbefinden basiert nicht auf Vergnügen, sondern auf fünf Säulen: positive Emotionen, Engagement, Beziehungen, Bedeutung und Zielerreichung.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich nicht auf die blosse Steigerung des Einkommens, sondern investieren Sie bewusst in soziale Beziehungen und sinnstiftende Aktivitäten, um systemischen Stressfaktoren entgegenzuwirken.

Die Schweiz gilt weltweit als Inbegriff von Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität. Wir geniessen hohe Einkommen, eine atemberaubende Natur und ein erstklassiges Gesundheitssystem. Viele von uns kennen das Bild, das im Ausland von uns gezeichnet wird: ein Land, in dem das Leben einfach gut sein muss. Die gängigen Ratschläge für ein glückliches Leben scheinen auf der Hand zu liegen: Karriere machen, in die Natur gehen, die finanzielle Sicherheit geniessen. Doch trotz dieser idealen Rahmenbedingungen beschleicht viele ein Gefühl der Unzufriedenheit, des Drucks und der permanenten Erschöpfung.

Dieses Gefühl ist kein Zufall, sondern Symptom eines tiefgreifenden Phänomens: des Schweizer Wohlstands-Paradoxes. Was, wenn unser grösster Vorteil – der materielle Wohlstand – gleichzeitig eine Quelle für spezifische, systemische Stressfaktoren ist? Der Druck, in einem Hochleistungsland mithalten zu müssen, die explodierenden Lebenshaltungskosten, die den Lohnvorteil wieder aufzehren, und die subtile Erwartung, ständig glücklich und erfolgreich sein zu müssen, erzeugen einen Teufelskreis der Selbstoptimierung.

Dieser Artikel bricht mit der oberflächlichen Betrachtung von Wohlbefinden. Statt Ihnen eine weitere Liste von Glückstipps zu präsentieren, analysieren wir die verborgenen Mechanismen, die in der Schweiz Zufriedenheit verhindern können. Wir tauchen tief in die fünf wissenschaftlich fundierten Säulen des Wohlbefindens ein und zeigen, wie Sie diese gezielt stärken können. Es geht darum, von einer reinen Jagd nach Vergnügen zu einer bedeutungsorientierten Lebensgestaltung zu finden. Wir untersuchen, wie sich die Prioritäten im Laufe des Lebens verschieben und warum eine kleine Stadt manchmal mehr Lebensfreude bietet als eine Metropole. Ziel ist es, Ihnen eine ganzheitliche Perspektive zu vermitteln, mit der Sie den einzigartigen Herausforderungen und Chancen des Lebens in der Schweiz begegnen und ein authentisches, widerstandsfähiges Wohlbefinden kultivieren können.

Dieser Leitfaden ist Ihr Wegweiser durch die Komplexität des Wohlbefindens in der Schweiz. Entdecken Sie, wie Sie die verschiedenen Facetten Ihres Lebens in Einklang bringen und eine nachhaltige Grundlage für Gesundheit und Zufriedenheit schaffen.

Warum liegt die Schweiz beim Einkommen auf Platz 1, bei Lebenszufriedenheit nur auf Platz 5?

Das Bild der reichen Schweiz ist hartnäckig, doch die Realität für viele Menschen im Land ist weitaus komplexer. Das hohe Einkommensniveau, das uns in internationalen Vergleichen oft an die Spitze katapultiert, wird durch ebenso hohe und stetig steigende Lebenshaltungskosten relativiert. Dieses Phänomen, das Wohlstands-Paradox, erklärt, warum finanzieller Reichtum nicht direkt in Lebenszufriedenheit umgemünzt wird. Eine Analyse der NZZ zeigt, dass der Wohlstand in der Schweiz stagniert; das BIP pro Kopf sank 2024 sogar zum zweiten Mal in Folge.

Dieser wirtschaftliche Druck manifestiert sich besonders stark im Alltag von Familien. Der Familienbarometer 2024 enthüllt eine schockierende Wahrheit: Für 52 % der Schweizer Familien reicht das Einkommen nur knapp oder gar nicht aus. Besonders betroffen sind Familien mit Kleinkindern und Einelternhaushalte. Wenn 11 % dieser Gruppen sogar bei der Gesundheitspflege sparen müssen, wird klar, dass der angebliche Wohlstand für viele nur ein täglicher Kampf ist. Diese systemischen Stressfaktoren untergraben das Wohlbefinden an seiner Wurzel.

Hinzu kommt ein subtiler, aber enorm wirksamer sozialer Druck. In einer Gesellschaft, die Erfolg stark über materielle Güter und Karriere definiert, ist es schwierig zuzugeben, wenn man trotz eines « guten » Jobs kämpfen muss. Professor Dominique Joye von der Universität Lausanne bringt es auf den Punkt:

Es gibt einen sozialen Druck zu sagen, man sei glücklich.

– Professor Dominique Joye, Universität Lausanne, Sozialbericht 2016

Diese Diskrepanz zwischen der erwarteten und der gefühlten Realität führt zu einer kognitiven Dissonanz, die das Wohlbefinden nachhaltig stört. Die Erkenntnis, dass das hohe Einkommen allein kein Garant für Zufriedenheit ist, bildet den Ausgangspunkt für eine tiefere Suche nach den wahren Quellen eines erfüllten Lebens.

Die 5 Säulen des Wohlbefindens: Was wissenschaftlich erwiesene Zufriedenheit erhöht

Wenn Geld allein nicht glücklich macht, was dann? Die positive Psychologie bietet ein robustes Modell, das über materielle Aspekte hinausgeht: das ganzheitliche Wohlbefinden, das auf fünf zentralen Säulen ruht. Es zu kultivieren bedeutet, aktiv in diese Bereiche zu investieren, ähnlich wie man auf einem Vita Parcours gezielt verschiedene Muskelgruppen trainiert. Es ist ein aktiver Prozess, kein passiver Zustand.

Nahaufnahme einer Hand, die einen traditionellen Schweizer Holzstab beim Vita Parcours berührt

Diese fünf Säulen bilden die Infrastruktur unseres inneren Wohlbefindens:

  • Positive Emotionen (Positive Emotions): Die Fähigkeit, Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit und Hoffnung zu empfinden. Es geht nicht darum, negative Gefühle zu unterdrücken, sondern positive aktiv zu kultivieren.
  • Engagement (Engagement): Das Gefühl, in einer Tätigkeit völlig aufzugehen (Flow). Ob bei der Arbeit, einem Hobby oder im Sport – Engagement entsteht, wenn wir unsere Stärken nutzen.
  • Soziale Beziehungen (Relationships): Die Qualität unserer Verbindungen zu anderen Menschen ist wohl der stärkste Prädiktor für Lebenszufriedenheit. Es geht um das Gefühl, dazuzugehören und sich auf andere verlassen zu können.
  • Bedeutung (Meaning): Das Gefühl, einem Zweck zu dienen, der grösser ist als man selbst. Dies kann sich in der Familie, in der Gemeinschaft, in der Spiritualität oder im Beruf manifestieren.
  • Zielerreichung (Accomplishment): Das Streben nach und Erreichen von Zielen, das uns ein Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit vermittelt.

Gerade die Säule der sozialen Beziehungen ist in der Schweiz ausserordentlich stark ausgeprägt und ein wertvolles Gut. Der OECD Better Life Index bestätigt, dass sich 94 % der Menschen in der Schweiz darauf verlassen können, im Notfall Hilfe von Freunden oder Familie zu erhalten. Dieses dichte soziale Netz ist ein entscheidender Puffer gegen die systemischen Stressfaktoren des Alltags und eine Ressource, die es bewusst zu pflegen gilt.

Vergnügen oder Bedeutung: Welcher Weg führt zu dauerhaftem Wohlbefinden?

Auf der Suche nach Wohlbefinden stehen wir oft an einer Weggabelung. Der eine Weg ist der des Hedonismus – die Maximierung von Vergnügen und die Minimierung von Schmerz. Er verspricht schnelle Befriedigung: das neue Auto, der teure Urlaub, das Gourmet-Dinner. Dieser Weg ist verlockend, führt aber oft in die « hedonistische Tretmühle »: Wir gewöhnen uns schnell an das neue Niveau und brauchen einen immer stärkeren Reiz für dasselbe Glücksgefühl. Obwohl die Schweizer ihre allgemeine Lebenszufriedenheit hoch einschätzen, oft um 7,5 von 10 Punkten, zeigt das Wohlstands-Paradox, dass dieser Wert trügerisch sein kann, wenn er nur auf materiellem Vergnügen fusst.

Der andere Weg ist der der Eudaimonia, der Bedeutungsorientierung. Hier geht es nicht um kurzfristiges Vergnügen, sondern um ein tiefes Gefühl von Sinnhaftigkeit und Erfüllung. Dieser Weg ist oft anstrengender und erfordert Engagement, doch er führt zu einem stabileren und nachhaltigeren Wohlbefinden. Sinn entsteht, wenn wir unsere persönlichen Werte leben und uns für etwas einsetzen, das über uns selbst hinausgeht. Dies kann die Erziehung von Kindern sein, die Pflege eines Angehörigen, ehrenamtliche Arbeit im lokalen Turnverein oder politisches Engagement.

Eine Analyse des Schweizer Kompetenzzentrums Sozialwissenschaften (FORS) im Sozialbericht 2016 illustriert diesen Punkt eindrücklich. Politische Beteiligung, so die Forscher, macht nicht im klassischen Sinne « glücklich », aber sie stärkt das Gefühl, gemeinsam mit anderen etwas bewegen zu können. Es ist diese Erfahrung von kollektiver Selbstwirksamkeit, die ein tiefes Gefühl von Bedeutung schafft und weit über die flüchtige Freude eines Konsumaktes hinausgeht.

Die Entscheidung zwischen Vergnügen und Bedeutung ist keine Entweder-oder-Frage. Ein ganzheitlich erfülltes Leben integriert beides. Es geniesst das gute Essen, aber es findet seine tiefste Erfüllung in den Momenten, in denen es einen Beitrag leistet. Die Kunst besteht darin, die Balance zu finden und bewusst in Aktivitäten zu investieren, die die Säule der « Bedeutung » nähren, anstatt nur dem nächsten Kick hinterherzujagen.

Der Selbstoptimierungs-Wahn, der Stress statt Wohlbefinden erzeugt

In einer Leistungsgesellschaft wie der Schweiz ist der Drang zur Selbstoptimierung allgegenwärtig. Fitness-Tracker, Produktivitäts-Apps, Ernährungspläne – wir sind umgeben von Werkzeugen, die uns versprechen, eine bessere Version unserer selbst zu werden. Doch dieser ständige Fokus auf Effizienz und Perfektion kann paradoxerweise genau das Gegenteil von dem bewirken, was er anstrebt: Er erzeugt chronischen Stress, das Gefühl des ständigen Versagens und untergräbt unser Wohlbefinden, anstatt es zu fördern.

Der Selbstoptimierungs-Wahn ist oft eine direkte Folge des Wohlstands-Paradoxes. Weil materieller Erfolg allein nicht glücklich macht, suchen wir die Lösung in der Optimierung unserer selbst. Wir versuchen, unsere Körper, unseren Geist und unsere Zeit so zu managen, als wären sie ein Unternehmen, das auf maximale Rendite getrimmt werden muss. Dabei verlieren wir den Kontakt zu unseren eigentlichen Bedürfnissen und unserer Intuition. Das Resultat ist oft ein Gefühl der Entfremdung und Erschöpfung – ein klassisches Burnout-Symptom.

Fallbeispiel: Das Offline-Experiment

Ein eindrückliches Experiment des SRF in einer Schweizer Siedlung zeigte die befreiende Wirkung einer Pause vom digitalen Optimierungsdruck. Teilnehmer verzichteten für nur fünf Tage auf ihre Smartphones. Die Neurowissenschaftlerin Barbara Studer, die das Experiment begleitete, dokumentierte bemerkenswerte Ergebnisse: Konzentration, Gedächtnis, emotionale Ausgeglichenheit und das allgemeine Wohlbefinden der Teilnehmer verbesserten sich im Durchschnitt um 8-12 %. Dieses Beispiel zeigt, dass weniger oft mehr ist. Die bewusste Entscheidung, sich dem ständigen Informations- und Vergleichsstrom zu entziehen, schuf Raum für echte Erholung und tiefere soziale Interaktionen.

Der Ausweg aus diesem Teufelskreis liegt nicht in noch mehr Optimierung, sondern in der Selbstakzeptanz und im bewussten Setzen von Grenzen. Es geht darum, die « Freude am Verpassen » (Joy of Missing Out, JOMO) zu entdecken und zu erkennen, dass wahres Wohlbefinden nicht in der perfekten Kontrolle über alle Lebensbereiche liegt, sondern in der Fähigkeit, loszulassen und im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Es ist die Erlaubnis, unproduktiv zu sein, Pausen zu machen und einfach nur zu existieren, die den grössten Raum für Erholung und Zufriedenheit schafft.

Mit 30 Karriere, mit 50 Beziehungen: Die Wohlbefindens-Prioritäten über die Lebensspanne

Wohlbefinden ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, dessen Prioritäten sich im Laufe des Lebens dramatisch verändern. Ein ganzheitlicher Ansatz erfordert Lebensphasen-Bewusstsein – die Fähigkeit, zu erkennen, welche der fünf Säulen in einer bestimmten Lebensphase besondere Aufmerksamkeit benötigt. Was uns mit 25 erfüllt, ist nicht zwangsläufig das, was uns mit 55 oder 75 Zufriedenheit schenkt.

In den Zwanzigern und Dreissigern stehen oft die Säulen « Zielerreichung » und « Engagement » im Vordergrund. Der Aufbau einer Karriere, die finanzielle Unabhängigkeit und die Etablierung im Berufsleben sind zentrale Themen. Gleichzeitig findet hier eine Neubewertung traditioneller Lebensentwürfe statt. Aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen eine signifikante Veränderung: Der Anteil der 20- bis 29-Jährigen, die kinderlos bleiben wollen, stieg von nur 6 % im Jahr 2013 auf 17 % im Jahr 2024. Dies deutet auf eine Verschiebung hin, bei der persönliche und berufliche Selbstverwirklichung stärker gewichtet wird als traditionelle Familienmodelle.

Mit zunehmendem Alter, etwa ab 40 oder 50, verschiebt sich der Fokus oft. Die Karriere ist etabliert, die materielle Basis geschaffen. Nun rücken die Säulen « Soziale Beziehungen » und « Bedeutung » stärker ins Zentrum. Die Pflege von Freundschaften, die Beziehung zum Partner und die Zeit mit der Familie gewinnen an Wichtigkeit. Man beginnt, Bilanz zu ziehen und fragt sich, was von Dauer ist und was man der nächsten Generation weitergeben möchte.

Drei Generationen einer Familie wandern gemeinsam an einem Schweizer Bergsee entlang

Die Fähigkeit, diese Verschiebungen zu antizipieren und die eigene Lebensgestaltung aktiv anzupassen, ist entscheidend für langfristiges Wohlbefinden. Wer mit 50 noch denselben Zielen nachjagt wie mit 30, riskiert, wichtige Quellen der Zufriedenheit zu übersehen. Ein erfülltes Leben bedeutet, mit den eigenen Lebensphasen im Einklang zu sein und die Segel immer wieder neu zu setzen.

Warum liegt Genf bei Lebensqualität vorne, während Nachbarkantone im Ranking abfallen?

Genf und Zürich glänzen regelmässig in globalen Rankings zur Lebensqualität. Sie ziehen internationale Talente, Unternehmen und Organisationen an und bieten eine hohe Dichte an kulturellen und beruflichen Möglichkeiten. Doch diese Aussenansicht verschleiert oft die Realität der Einheimischen und langjährigen Bewohner. Das hohe Ranking basiert auf Faktoren, die für einen hochbezahlten Expat entscheidend sind, aber nicht unbedingt für eine lokale Familie oder einen mittelständischen Angestellten.

Hier schlägt das Wohlstands-Paradox mit voller Wucht zu. Gerade in diesen urbanen Zentren sind die systemischen Stressfaktoren am ausgeprägtesten. Eine Studie auf Social Change Switzerland aus dem Jahr 2024 beleuchtet die massive Ungleichheit, die durch die Lebenshaltungskosten entsteht. Die Analyse zeigt, dass die Mieten in den Grossräumen Zürich und Genf/Waadt besonders erdrückend sind. Während die Löhne hoch erscheinen, wird ein überproportional grosser Teil direkt von den Wohnkosten aufgefressen.

Ein weiterer massiver Stressfaktor sind die Krankenkassenprämien. Seit 1997 sind diese real um 140 % gestiegen, während die Prämienverbilligungen im selben Zeitraum nur um 41 % zunahmen. Diese Zahlen zeigen eine dramatische Entkopplung: Die finanzielle Last der Gesundheitsversorgung wird immer stärker auf die Schultern der Einzelnen und Familien abgewälzt, was das verfügbare Einkommen und damit das Wohlbefinden direkt schmälert.

Nachbarkantone wie Freiburg, Neuenburg oder Aargau mögen in globalen Rankings abfallen, weil sie weniger internationale Konzerne oder eine geringere Dichte an Spitzenjobs aufweisen. Für ihre Bewohner kann die Lebensqualität jedoch subjektiv höher sein. Moderatere Mieten, kürzere Arbeitswege und oft ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl können die Nachteile eines möglicherweise geringeren Lohns mehr als ausgleichen. Dies erklärt, warum ein Leben ausserhalb der grossen Metropolen für viele Schweizer eine bewusste Entscheidung für mehr Wohlbefinden und weniger finanziellen Stress darstellt.

Warum ranken Schweizer Städte unter 200.000 Einwohnern weltweit in den Top 20 für Lebensfreude?

Während die grossen Metropolen mit den Lasten des Wohlstands kämpfen, blühen kleinere und mittelgrosse Schweizer Städte wie Bern, Lausanne oder Winterthur in Rankings zur Lebensfreude auf. Ihr Erfolg liegt in einer besseren Balance der fünf Wohlbefindens-Säulen. Zwar gilt auch hier tendenziell, wie Pro Familia Schweiz im Familienbarometer 2024 festhält, dass die Zufriedenheit mit dem Einkommen steigt, doch der entscheidende Unterschied liegt in der Kaufkraft und den nicht-materiellen Faktoren.

In diesen Städten ist das Verhältnis von Einkommen zu Lebenshaltungskosten oft günstiger. Ein gutes Gehalt ermöglicht hier einen höheren Lebensstandard als in den überhitzten Märkten von Genf oder Zürich. Doch der wahre Vorteil liegt in der Infrastruktur des Wohlbefindens. Diese Städte bieten eine einzigartige Mischung aus urbanen Annehmlichkeiten und menschlichem Mass. Die Wege sind kürzer, was Zeit und Stress spart und die « Engagement »-Säule stärkt, da mehr Energie für erfüllende Tätigkeiten bleibt.

Die Natur ist fast immer nur einen Katzensprung entfernt – sei es die Aare in Bern, der Genfersee in Lausanne oder die Wälder um Winterthur. Diese unmittelbare Nähe zur Natur nährt die Säule der « Positiven Emotionen » und bietet kostenlose Erholungsräume. Gleichzeitig fördern diese Städte oft ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Die überschaubare Grösse erleichtert den Aufbau und die Pflege von sozialen Netzwerken, was die entscheidende Säule der « Sozialen Beziehungen » stärkt. Man trifft sich auf dem Markt, im Quartierladen oder im lokalen « Badi », was ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit vermittelt.

Letztlich bieten diese Städte einen Lebensstil, bei dem der materielle Wohlstand nicht zum Selbstzweck wird, sondern als Mittel dient, um die wirklich wichtigen Aspekte des Lebens – Beziehungen, Bedeutung, Engagement – zu fördern. Sie verkörpern eine Form des « sanften Wohlstands », der weniger auf Status und mehr auf Lebensqualität und Balance ausgerichtet ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Schweizer Wohlstands-Paradox: Hoher materieller Wohlstand erzeugt oft systemischen Stress durch hohe Kosten und Leistungsdruck.
  • Ganzheitliches Wohlbefinden ist eine aktive Praxis, die auf 5 Säulen ruht: Emotionen, Engagement, Beziehungen, Bedeutung und Ziele.
  • Die Prioritäten für ein erfülltes Leben sind nicht statisch; sie verändern sich je nach Lebensphase und geografischem Kontext (Stadt vs. Land).

Aktiv bleiben, gesund altern: Welche Bewegungsformen schützen am besten vor chronischen Krankheiten?

Ein ganzheitliches Wohlbefinden ist keine einmalige Errungenschaft, sondern ein lebenslanger Prozess. Die Investitionen, die wir in jüngeren Jahren in unsere körperliche, mentale und soziale Gesundheit tätigen, zahlen sich besonders im Alter aus. Aktiv zu bleiben ist der wirksamste Schutz vor vielen chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und sogar einigen Formen von Demenz. Doch « aktiv bleiben » bedeutet in der Schweiz weit mehr als nur Sport im Fitnessstudio.

Es geht darum, die hervorragende Infrastruktur des Wohlbefindens, die das Land bietet, bewusst und regelmässig zu nutzen. Bewegung sollte dabei nicht als lästige Pflicht, sondern als Quelle der Freude und sozialer Interaktion gesehen werden. Die besten Bewegungsformen sind diejenigen, die mehrere Säulen des Wohlbefindens gleichzeitig ansprechen. Eine Bergwanderung mit Freunden stärkt nicht nur den Körper, sondern auch die sozialen Beziehungen und nährt die Seele durch die Naturerfahrung. Regelmässiges Schwimmen im öffentlichen Badi ist gelenkschonend und bietet gleichzeitig einen sozialen Treffpunkt.

Der Schlüssel liegt in der Kombination von verschiedenen Aktivitätsformen, die sowohl die körperliche als auch die kognitive und soziale Fitness fördern. Es geht darum, Bewegung nahtlos in den Alltag zu integrieren und sie zu einem festen Bestandteil des sozialen Lebens zu machen. Gesundes Altern ist das Resultat eines Lebens, das auf den Prinzipien des ganzheitlichen Wohlbefindens aufgebaut wurde.

Ihr Aktionsplan: Die Schweizer Infrastruktur für aktives Altern nutzen

  1. Vita Parcours nutzen: Planen Sie wöchentlich einen Besuch auf einem der kostenlosen Bewegungsparcours in den Schweizer Wäldern ein, um Kraft, Ausdauer und Koordination zu trainieren.
  2. Wanderwegnetz erkunden: Nehmen Sie sich vor, mindestens einmal im Monat eine Wanderung auf dem nationalen Wanderwegnetz zu unternehmen. Wählen Sie Routen, die Ihrem Fitnesslevel entsprechen.
  3. Wassersport integrieren: Nutzen Sie die öffentlichen Badis und Seen für regelmässiges Schwimmen, das als besonders gelenkschonende Aktivität den ganzen Körper trainiert.
  4. Gemeinschaft im Verein suchen: Informieren Sie sich über die Angebote lokaler Turn- oder Sportvereine. Soziale Bewegungsangebote erhöhen die Motivation und stärken das Beziehungsnetz.
  5. Kognitiv fit bleiben: Verbinden Sie kognitive mit sozialer Aktivität. Ein regelmässiger Jass-Nachmittag mit Freunden trainiert das Gedächtnis und fördert gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt.

Die bewusste Nutzung dieser vielfältigen Möglichkeiten zur Aktivität ist die beste Versicherung für ein langes, gesundes und zufriedenes Leben.

Der erste Schritt zur Steigerung Ihres ganzheitlichen Wohlbefindens besteht darin, eine ehrliche Bestandsaufnahme Ihrer aktuellen Lebenssituation vorzunehmen. Analysieren Sie, welche der fünf Säulen in Ihrem Leben stark ausgeprägt sind und welche Sie in der Vergangenheit vielleicht vernachlässigt haben. Beginnen Sie noch heute damit, kleine, aber bewusste Änderungen vorzunehmen, um Ihr Leben wieder in Balance zu bringen.

Rédigé par Dr. Thomas Hofmann, Dr. Thomas Hofmann ist promovierter Pharmakologe und Public-Health-Experte mit 20 Jahren Erfahrung an der Schnittstelle von Life-Sciences-Industrie und Gesundheitsförderung. Nach seiner Promotion in Molekularbiologie an der ETH Zürich arbeitete er 12 Jahre in der pharmazeutischen Forschung und wechselte 2016 in die Prävention und Gesundheitspolitik. Er berät heute Gesundheitsorganisationen und schreibt über Themen von Arzneimittelentwicklung bis zu evidenzbasierter Krankheitsprävention.