Publié le 18 mai 2024

Entgegen der Annahme, die Schweizer Kultur sei nur etwas zum Anschauen, liegt der wahre Zugang im Mitgestalten. Der Schlüssel zur Teilhabe ist nicht, mehr Museen oder Konzerte zu besuchen, sondern die eigene Rolle vom passiven Konsumenten zum aktiven Kulturschaffenden zu wandeln. Dieser Artikel deckt die oft unsichtbaren psychologischen und strukturellen Hemmschwellen auf und zeigt Ihnen konkrete Wege auf, wie Sie durch Vereine, Freiwilligenarbeit und lokale Initiativen ein lebendiger Teil der Schweizer Kultur werden.

Die Schweiz, ein Land mit über 1.100 Museen, unzähligen Festivals und einer tief verwurzelten Vereinskultur, scheint ein Paradies für Kulturinteressierte zu sein. Doch hinter den beeindruckenden Besucherzahlen verbirgt sich ein Paradox: Viele Menschen fühlen sich als reine Zuschauer, die Kultur konsumieren, anstatt sie wirklich zu erleben und mitzugestalten. Man geht zur Basler Fasnacht, besucht das Montreux Jazz Festival oder bewundert die Sammlungen im Kunsthaus Zürich, doch das Gefühl, wirklich dazuzugehören, stellt sich oft nicht ein.

Die üblichen Ratschläge beschränken sich oft auf das Aufzählen von Sehenswürdigkeiten oder das Empfehlen grosser Events. Man liest über das folkloristische Erbe mit Alphorn und Schwingen, über die Bedeutung des Designs oder über die kulinarischen Traditionen. Diese Aspekte sind wichtig, doch sie kratzen nur an der Oberfläche. Sie behandeln Kultur als ein Produkt, das man kauft, oder als eine Show, die man beklatscht. Doch was, wenn der wahre Reichtum der Schweizer Kulturlandschaft erst dann zugänglich wird, wenn man die Zuschauerrolle verlässt?

Dieser Artikel wählt bewusst einen anderen Weg. Statt Ihnen eine weitere Liste von Orten zu präsentieren, wollen wir die unsichtbaren Barrieren – die psychologischen und sozialen Hemmschwellen – aufdecken, die viele von einer aktiven Teilnahme abhalten. Es geht darum, vom blossen Besucher zum gefragten Kulturschaffenden zu werden. Wir zeigen Ihnen, dass es nicht darum geht, ein Instrument zu meistern oder ein Künstler zu sein. Vielmehr geht es um die Bereitschaft, sich einzubringen, sei es durch Freiwilligenarbeit, in einem lokalen Verein oder durch die Unterstützung kleinerer, lokaler Initiativen.

Wir werden gemeinsam erkunden, warum sich viele in klassischen Kulturinstitutionen unwohl fühlen, wie sich die Kulturnutzung über die Lebensspanne verändert und wie das immense Potenzial der Freiwilligenarbeit als Tor zur aktiven Kulturteilhabe genutzt werden kann. Entdecken Sie die konkreten Schritte, um nicht nur Kultur zu konsumieren, sondern sie zu leben und zu einem Teil Ihrer eigenen Identität zu machen.

Dieser Leitfaden ist Ihr Kompass, um die vielfältige Kulturlandschaft der Schweiz nicht nur zu betrachten, sondern sie aktiv mitzugestalten. Der folgende Überblick zeigt Ihnen die thematischen Stationen unserer gemeinsamen Reise.

Warum besuchen 65% der Schweizer nie ein Museum, obwohl 1.100 existieren?

Die im Titel formulierte Frage ist provokant und spiegelt eine gefühlte Realität wider, auch wenn die Zahlen ein differenzierteres Bild zeichnen. Tatsächlich verzeichneten die Schweizer Museen im Jahr 2023 fast 15 Millionen Eintritte, ein neuer Rekord, wie die aktuelle Museumsstatistik des Bundesamtes für Statistik zeigt. Die Frage ist also nicht, ob die Menschen in Museen gehen, sondern warum sich trotz dieser Zahlen ein erheblicher Teil der Bevölkerung ausgeschlossen fühlt. Die Antwort liegt oft in unsichtbaren, aber wirkungsvollen Barrieren.

Diese Hemmschwellen sind nicht immer finanzieller Natur. Vielmehr handelt es sich um strukturelle und psychologische Hürden. Physische Zugänglichkeit ist eine davon. So sind beispielsweise nur 19% der regionalen und lokalen Museen vollständig rollstuhlgängig. Noch gravierender ist, dass nur 20% dieser kleineren Häuser spezielle Vermittlungsangebote für Menschen mit Behinderungen anbieten. Diese Zahlen zeigen, dass ein grosser Teil der Infrastruktur auf ein vermeintliches Standardpublikum ausgerichtet ist und andere von vornherein ausgrenzt.

Blick durch eine offene Museumstür zeigt Menschen verschiedener Generationen beim entspannten Austausch in einem modernen, einladenden Museumsraum

Doch die Barrieren sind auch mentaler Art: die Angst, sich falsch zu verhalten, die Kleiderordnung nicht zu kennen oder die ausgestellte Kunst « nicht zu verstehen ». Viele Museen wirken wie elitäre Tempel, in denen man sich leise und ehrfürchtig zu bewegen hat. Dieses Gefühl des « Nicht-dazu-Gehörens » ist eine stärkere Abschreckung als jeder Eintrittspreis. Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Institutionen diese Hemmschwellen aktiv abbauen und sich zu offenen, einladenden Orten des Austauschs wandeln, wie die obige Abbildung einer idealen Museumsatmosphäre verdeutlicht.

Vom Zuschauer zum Kulturschaffenden: Die 5 Wege zur aktiven Kulturpartizipation

Der entscheidende Wandel vom Kulturkonsumenten zum aktiven Teilhaber geschieht nicht über Nacht, sondern durch konkrete Handlungen. Es geht darum, die Rolle des passiven Betrachters abzulegen und selbst zum Kulturschaffenden zu werden. Die Schweiz bietet dafür ein einzigartiges Partizipations-Ökosystem, das oft im Schatten der grossen Kulturinstitutionen steht: die Welt der Vereine und der Freiwilligenarbeit. Hier findet die eigentliche kulturelle Aneignung statt, hier wird Gemeinschaft gelebt und Kultur geschaffen.

Die schiere Grösse dieses Engagements ist beeindruckend. Allein im Sport leisten laut einer Studie von Swiss Olympic rund 858’000 Freiwillige jährlich 74 Millionen Arbeitsstunden. Dieses immense Reservoir an Engagement und Leidenschaft ist auch für den Kultursektor die wichtigste Ressource. Es zeigt, dass der Wille zur Partizipation tief in der Schweizer Gesellschaft verankert ist. Die Frage ist nur: Wie findet man den richtigen Einstieg?

Der Weg vom Wunsch zur Tat kann manchmal unübersichtlich erscheinen. Wo fängt man an? Wen spricht man an? Die folgende Checkliste bietet einen praxiserprobten Fahrplan, um die ersten Schritte in die Welt des aktiven Kulturschaffens zu machen und die passende Nische für das eigene Engagement zu finden.

Ihr Aktionsplan: 5 konkrete Wege zur aktiven Kulturteilnahme

  1. Lokale Vereine entdecken: Suchen Sie auf der Website Ihrer Gemeinde nach Kultur-, Musik- oder Theatervereinen. Ein einfacher Anruf oder eine E-Mail genügt oft, um Kontakt aufzunehmen und herauszufinden, wo Hilfe gebraucht wird – sei es auf der Bühne, bei der Organisation oder am Kuchenbuffet.
  2. Gezielt nach Engagements suchen: Nutzen Sie Plattformen wie benevol-jobs.ch, um gezielt nach Freiwilligeneinsätzen in Kulturorganisationen zu suchen. Filtern Sie nach Ihren Interessen und zeitlichen Verfügbarkeiten, um das perfekte Match zu finden.
  3. Hinter die Kulissen blicken: Bewerben Sie sich als Volunteer bei grossen Festivals wie dem Paléo Festival oder dem Montreux Jazz Festival. Dies bietet eine einmalige Chance, Grossveranstaltungen von innen zu erleben und wertvolle Kontakte zu knüpfen.
  4. Eigene Ideen verwirklichen: Haben Sie eine eigene Projektidee? Kontaktieren Sie das kantonale Kulturamt. Diese Stellen beraten nicht nur, sondern informieren auch über mögliche Fördergelder und helfen bei der Vernetzung mit anderen Kulturschaffenden.
  5. Engagement nachweisen: Dokumentieren Sie Ihre Freiwilligenarbeit mit dem Dossier « Freiwillig Engagiert ». Dieses Instrument hilft, die erworbenen Kompetenzen professionell nachzuweisen, was auch im Berufsleben von Vorteil sein kann.

Oper oder Strassenkunst: Welche Kulturform spricht Ihre Generation an?

Die Vorstellung von « Kultur » ist längst nicht mehr monolithisch. Während frühere Generationen vielleicht primär das klassische Abonnement im Opernhaus oder Theater im Sinn hatten, hat sich das Spektrum kultureller Ausdrucksformen dramatisch erweitert. Heute konkurrieren Hochkultur, Subkultur, digitale Kunst und Strassenkunst um die Aufmerksamkeit eines fragmentierten Publikums. Der Strukturwandel der Kultur ist in vollem Gange und fordert traditionelle Institutionen heraus, neue Wege zu gehen, um relevant zu bleiben.

Ein herausragendes Beispiel für diese Anpassung ist die YouTube-Strategie von Schweiz Tourismus. Anstatt auf Hochglanz-Werbespots zu setzen, nutzt die Organisation die Authentizität von digitalen Creators. Mit der Serie « Creators Cut Switzerland » werden internationale Influencer eingeladen, die Schweiz aus ihrer persönlichen Perspektive zu zeigen. Das Ergebnis ist « real, raw, relatable » – echt, roh und nachvollziehbar. Mit über 123 Millionen Views im Jahr 2024 erreicht diese Strategie eine junge, digitalaffine Zielgruppe, die über traditionelle Kanäle kaum noch ansprechbar ist.

Diese Neuausrichtung zeigt, dass der Inhalt und das Format entscheidend dafür sind, welche Generation sich angesprochen fühlt. André Hefti, Head of Marketing bei Schweiz Tourismus, bringt es auf den Punkt:

Das Erlebnis Schweiz ist aus der Sicht ausländischer Creators besonders spannend.

– André Hefti, Head of Marketing bei Schweiz Tourismus

Die junge Generation sucht nicht nach perfekten Inszenierungen, sondern nach authentischen Erlebnissen und der Möglichkeit zur Interaktion. Digitale Plattformen bieten genau das: Kultur wird kommentiert, geteilt und neu interpretiert. Dies bedeutet jedoch nicht das Ende der klassischen Künste. Vielmehr zwingt es sie zur Öffnung und zur Entwicklung hybrider Formate, die klassische Inhalte mit modernen Vermittlungsformen verbinden und so Brücken zwischen den Generationen bauen.

Warum fühlen sich 70% in klassischen Konzerthäusern unwohl?

Die Zahl im Titel ist symbolisch für ein weit verbreitetes Gefühl: Viele Menschen empfinden eine hohe Hemmschwelle gegenüber klassischen Kulturinstitutionen wie Opern- oder Konzerthäusern. Es ist die Aura des Exklusiven, die ungeschriebenen Verhaltenskodizes und die Angst, als unkundig aufzufallen, die eine unsichtbare Mauer errichten. Man sorgt sich um die richtige Kleidung, weiss nicht, wann man klatschen darf, und fürchtet die sozialen Rituale, die mit einem solchen Besuch verbunden sind. Dieses Unbehagen ist ein wesentlicher Grund, warum viele Menschen, obwohl sie klassische Musik mögen, den Weg in den Konzertsaal scheuen.

Diese psychologischen Barrieren sind oft mächtiger als finanzielle Hürden. Sie schaffen eine Atmosphäre der Exklusivität, die dem eigentlichen Ziel von Kultur – Menschen zu verbinden und zu inspirieren – entgegenwirkt. Während ein Museum oft eine individuellere und anonymere Erfahrung erlaubt, ist das Konzerthaus ein zutiefst sozialer Raum mit klaren Konventionen. Der Druck, sich « richtig » zu verhalten, kann das Kunsterlebnis vollständig überlagern und zu einer stressigen Pflichtübung machen, statt zu einem Genussmoment.

Entspannte Open-Air-Klassikveranstaltung mit Familien auf Picknickdecken vor einer Orchesterbühne in einem Schweizer Park

Die Lösung liegt in der Demokratisierung des Erlebnisses. Immer mehr Orchester und Veranstalter erkennen dieses Problem und bringen die Musik zu den Menschen. Open-Air-Konzerte in Parks, Lunch-Konzerte in Foyers oder experimentelle Formate in Industriehallen brechen die steifen Strukturen auf. Sie laden dazu ein, Kultur in einer entspannten Atmosphäre zu geniessen, ohne Dresscode und Verhaltenskatalog. Auf einer Picknickdecke im Park fühlt sich niemand deplatziert. Hier steht die Musik im Zentrum, nicht die Etikette.

Mit 20 Festivals, mit 60 Museen: Wie verändert sich Kulturnutzung über die Lebensspanne?

Kulturelle Vorlieben und die Art der Partizipation sind nicht statisch; sie entwickeln sich im Laufe des Lebens. Während junge Erwachsene vielleicht die Energie und das Gedränge von Musikfestivals suchen, schätzen Menschen in späteren Lebensphasen oft die Ruhe eines Museums oder das Engagement in einem lokalen Verein. Die kulturelle Aneignung verändert ihre Form, aber das Bedürfnis nach kultureller Teilhabe und sozialer Verbindung bleibt über alle Generationen hinweg bestehen. Die grosse Chance liegt darin, diese unterschiedlichen Bedürfnisse und Kompetenzen miteinander zu verbinden.

In der Schweiz ist die Bereitschaft zum Engagement ausserordentlich hoch. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik leisten beeindruckende 41% der Schweizer Bevölkerung Freiwilligenarbeit. Dies entspricht einem unvorstellbaren Volumen von 619 Millionen Stunden allein im Jahr 2020. Dieses Engagement ist der soziale Kitt der Gesellschaft und ein riesiges, oft ungenutztes Potenzial für den Kultursektor. Es zeigt, dass der Wunsch, sich einzubringen und etwas zu bewirken, eine Konstante über die Lebensspanne ist.

Fallbeispiel: Generationenübergreifende Freiwilligenarbeit

Projekte, die gezielt den Austausch zwischen den Generationen fördern, sind besonders erfolgreich. Organisationen wie Intergeneration oder Programme wie GGG Benevol vermitteln gezielt Engagements, die Jung und Alt zusammenbringen. Beispiele sind Vorlesepatenschaften, bei denen Senioren in Schulen lesen, oder Technik-Cafés, in denen Jugendliche älteren Menschen den Umgang mit digitalen Geräten erklären. Im kulturellen Kontext können dies gemeinsame Chorprojekte, Theatergruppen oder die Organisation von Quartierfesten sein. Solche Initiativen schaffen nicht nur nachhaltige soziale Beziehungen, sondern ermöglichen auch einen wertvollen Transfer von Wissen und Lebenserfahrung in beide Richtungen.

Die aktive Kulturnutzung im Alter verlagert sich oft vom Konsum hin zur Weitergabe von Wissen und zur Gestaltung des sozialen Umfelds. Senioren werden zu wichtigen Stützen in Vereinen, zu Mentoren für jüngere Kulturschaffende oder zu Hütern des immateriellen Kulturerbes ihrer Region. Anstatt Kultur nur zu empfangen, werden sie zu Sendern und Gestaltern. Diese Verschiebung ist kein Verlust, sondern eine wertvolle Transformation, die das kulturelle Ökosystem bereichert und lebendig hält.

Fasnacht, Museumsnacht, Weihnachtsmarkt: Der Eventkalender für 12 charmante Schweizer Städte

Während grosse Institutionen eine wichtige Rolle spielen, ist es oft der pulsierende Rhythmus der wiederkehrenden Events, der das kulturelle Herz der Schweizer Städte und Dörfer zum Schlagen bringt. Diese Anlässe sind mehr als nur Touristenattraktionen; sie sind lebendige Ausdrucksformen lokaler Identität und eine ideale Gelegenheit zur aktiven Teilnahme. Ob Basler Fasnacht, Zürcher Sechseläuten oder die Fête de l’Escalade in Genf – diese Feste laden nicht nur zum Zuschauen, sondern zum Mitmachen ein. Sie sind temporäre öffentliche Räume, in denen soziale und kulturelle Codes für einen Moment neu verhandelt werden.

Der Schlüssel zur Partizipation liegt darin, über die Rolle des blossen Zuschauers hinauszugehen. Anstatt die Cortège der Fasnacht nur vom Strassenrand aus zu beobachten, kauft man eine Plakette und unterstützt damit die Tradition. Man lernt die Bedeutung der verschiedenen « Cliquen » kennen oder schliesst sich frühmorgens dem « Morgestraich » an. Weihnachtsmärkte werden vom reinen Konsumort zu einem sozialen Treffpunkt, einem temporären Dorfplatz, auf dem man mit Nachbarn und Freunden ins Gespräch kommt. Die folgenden Tipps helfen, diese Events als aktive/r Teilnehmer/in zu erleben:

  • Basler Fasnacht: Kaufen Sie eine offizielle Plakette, um die Fasnachts-Comités zu unterstützen, und lernen Sie deren satirische Bedeutung (« Sujet ») kennen.
  • Museumsnacht: Nutzen Sie den Abend als kulturelles « Speed-Dating », um auch kleinere, unbekanntere Institutionen zu entdecken und mit Kuratoren ins Gespräch zu kommen.
  • Lokale Varianten entdecken: Besuchen Sie neben den grossen, bekannten Festen auch authentische regionale Anlässe wie die « Tschäggättä » im Lötschental, um tiefere Einblicke in lokale Bräuche zu erhalten.
  • Vereinskultur würdigen: Achten Sie bei traditionellen Festen auf die Rolle der lokalen Vereine. Oft sind sie das Rückgrat der Organisation und freuen sich über jede Form der Unterstützung.

Selbst die beliebtesten Museen des Landes, die oft als reine Ausstellungsorte wahrgenommen werden, sind tief in der Eventkultur verankert. Eine Analyse der meistbesuchten Schweizer Museen aus dem Jahr 2016 zeigt, dass Institutionen wie das Verkehrshaus oder das Château de Chillon ihre Anziehungskraft auch durch unzählige Sonderveranstaltungen und thematische Events stetig erneuern.

Top 3 Schweizer Museen nach Besucherzahlen (2016)
Rang Museum Ort Besucherzahl (2016) Besonderheiten
1 Verkehrshaus der Schweiz Luzern 536.430 Museum für Verkehr und Mobilität
2 Maison Cailler Broc k.A. Älteste Schweizer Schokoladenmarke seit 1819
3 Château de Chillon Montreux k.A. Wasserburg am Genfersee seit 1150

MONGO

Sprachgraben überwinden: Wie funktioniert Verständigung zwischen den Regionen konkret?

Die Viersprachigkeit der Schweiz ist Segen und Herausforderung zugleich. Der sogenannte « Röstigraben » ist mehr als nur eine Metapher; er beschreibt die realen kulturellen und mentalen Unterschiede zwischen den Sprachregionen. Doch gerade die Kultur bietet ein enormes Potenzial, diese Gräben zu überwinden und als Brückenbauerin zu fungieren. Wenn die verbale Kommunikation an ihre Grenzen stösst, können Musik, Tanz, Theater oder bildende Kunst eine universelle Sprache sprechen, die keine Übersetzung braucht.

Kulturprojekte, die bewusst mehrsprachig oder non-verbal konzipiert sind, spielen eine entscheidende Rolle für den nationalen Zusammenhalt. Ein Theaterstück, das mit Übertiteln in mehreren Sprachen aufgeführt wird, oder eine Tanzperformance, die gänzlich ohne Worte auskommt, schafft einen gemeinsamen Erfahrungsraum. Diese Initiativen ermöglichen es Menschen aus der Deutschschweiz, der Romandie, dem Tessin und der rätoromanischen Schweiz, nicht nur nebeneinander, sondern miteinander Kultur zu erleben. Sie fördern das Verständnis für die « anderen » und bauen Vorurteile ab.

Menschen verschiedener Schweizer Sprachregionen beim gemeinsamen Theaterprojekt mit Übertiteln in mehreren Sprachen

Auch digitale Medien spielen eine immer wichtigere Rolle als Sprachbrücken. Sie machen Kulturinhalte über regionale Grenzen hinweg zugänglich. Ein Konzert aus Lugano kann per Livestream in St. Gallen verfolgt werden, eine Ausstellung aus Genf wird durch einen virtuellen Rundgang auch für Zürcher erlebbar. Diese Entwicklung wird auch im Bildungsbereich erkannt, wie Beat Schwendimann vom Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz hervorhebt:

YouTube bietet Lehrpersonen eine noch nie dagewesene Sammlung von Videos, die den Unterricht bereichern können.

– Beat Schwendimann, Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

Was für den Unterricht gilt, gilt auch für die allgemeine Kulturvermittlung. Digitale Plattformen ermöglichen einen niederschwelligen Zugang zur kulturellen Vielfalt des Landes und können so das gegenseitige Verständnis fördern, ohne dass man physisch reisen oder die andere Sprache perfekt beherrschen muss.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die grössten Hürden zur Kulturteilnahme sind oft psychologische Hemmschwellen wie die Angst, sich falsch zu verhalten, nicht die Kosten.
  • Der direkteste Weg vom Konsumenten zum Kulturschaffenden führt über die Freiwilligenarbeit und das Engagement in lokalen Vereinen.
  • Die Digitalisierung und neue, offene Formate wie Open-Air-Konzerte sind entscheidend, um Kultur für alle Generationen zugänglich und relevant zu machen.

Festivals als Wirtschaftsmotor: Wie generieren Kulturevents Millionen für Regionen?

Aktive Kulturpartizipation ist nicht nur eine Bereicherung für das Individuum und den sozialen Zusammenhalt, sondern auch ein knallharter Wirtschaftsfaktor. Festivals, grosse Ausstellungen und sogar die unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit generieren eine immense Wertschöpfung für Städte und Regionen. Wenn Tausende von Menschen für ein Festival anreisen, profitieren Hotellerie, Gastronomie und der lokale Detailhandel. Kulturevents schaffen Arbeitsplätze, stärken das Image einer Region und machen sie als Wohn- und Wirtschaftsstandort attraktiver.

p>Die Freiwilligenarbeit ist dabei ein oft unterschätzter, aber gigantischer ökonomischer Hebel. Wie bereits erwähnt, werden allein im Sportbereich 74 Millionen Arbeitsstunden jährlich unentgeltlich geleistet. Würde man diese Stunden mit einem durchschnittlichen Lohn bewerten, ergäbe sich eine Summe von mehreren Milliarden Franken. Diese unbezahlte Arbeit ermöglicht es erst, dass viele Kulturevents überhaupt stattfinden können. Jeder Franken, der in die Förderung von Freiwilligenarbeit fliesst, hat somit einen enormen Multiplikatoreffekt auf die regionale Wirtschaft.

Auch die moderne, digitale Kulturvermittlung erweist sich als potenter Wirtschaftsmotor. Die YouTube-Offensive von Schweiz Tourismus ist hierfür das beste Beispiel. Der Kanal generierte 2024 nicht nur weltweit 123 Millionen Views, sondern die Nutzer verbrachten auch 2,5 Millionen Stunden mit den Inhalten – eine enorme Werbezeit für den Tourismusstandort Schweiz. Ein einziger Spot mit Markenbotschafter Roger Federer erreichte 66 Millionen Aufrufe. Diese Zahlen belegen eindrücklich, wie digitale Kulturinhalte direktes wirtschaftliches Interesse wecken und Besucher ins Land locken können, was wiederum zu Einnahmen in Milliardenhöhe führt.

Die Investition in Kultur ist somit keine Subvention für eine kleine Elite, sondern eine Investition in die wirtschaftliche und soziale Zukunft einer Region. Sie fördert nicht nur die Kreativität und Identität, sondern schafft auch messbare Werte, von denen die gesamte Gesellschaft profitiert. Wer sich als Freiwilliger bei einem lokalen Festival engagiert, trägt somit nicht nur zum Gelingen des Anlasses bei, sondern stärkt auch die Wirtschaftskraft seiner Heimat.

Der Schritt vom passiven Kulturkonsumenten zum aktiven Kulturschaffenden ist eine transformative Erfahrung. Er bereichert nicht nur das eigene Leben durch neue Fähigkeiten und soziale Kontakte, sondern stärkt auch das kulturelle Fundament Ihrer Gemeinde und der ganzen Schweiz. Beginnen Sie noch heute damit, die vorgestellten Wege zu erkunden und Ihren Platz in der lebendigen Kulturlandschaft der Schweiz zu finden.

Rédigé par Dr. Claudia Herzog, Dr. Claudia Herzog ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin mit 19 Jahren Erfahrung in Museen, Denkmalpflege und Festivalorganisation. Nach ihrer Promotion in Kunstgeschichte an der Universität Basel leitete sie Ausstellungsprojekte an Schweizer Museen und arbeitete in der kantonalen Denkmalpflege. Sie ist heute selbstständige Kulturberaterin und publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Baukultur und kultureller Identität.