
Wahre psychische Stabilität in der Schweiz ist keine Glückssache, sondern das Ergebnis bewusster Strategien und der cleveren Nutzung vorhandener Ressourcen.
- Dysfunktionale Muster wie Überarbeitung oder sozialer Rückzug sind oft erlernte Reaktionen, die aktiv durchbrochen werden müssen.
- Das Schweizer Gesundheitssystem bietet durch das Anordnungsmodell einen klar strukturierten und versicherten Weg zu professioneller psychologischer Hilfe.
Empfehlung: Beginnen Sie mit der bewussten Beobachtung Ihrer persönlichen Stressreaktionen und nutzen Sie eine der hier vorgestellten Techniken zur sofortigen Entlastung, bevor Sie grössere Schritte planen.
Fühlen Sie sich oft überfordert, als ob das Gedankenkarussell niemals stillsteht? Sie sind nicht allein. In einer Welt des ständigen Leistungsdrucks, der digitalen Erreichbarkeit und der globalen Unsicherheiten wird das Bewahren der mentalen Balance zu einer zentralen Lebenskompetenz. Gerade in der Schweiz, einem Land, das für seine hohe Lebensqualität und Stabilität bekannt ist, scheint der innere Druck paradoxerweise besonders hoch zu sein. Viele Menschen kämpfen darum, den Anforderungen von Beruf, Familie und sozialen Erwartungen gerecht zu werden, und fühlen sich dabei zunehmend erschöpft.
Die üblichen Ratschläge sind schnell zur Hand: Man solle mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren oder einfach mal „positiv denken“. Doch diese oberflächlichen Tipps greifen oft zu kurz. Sie ignorieren die tieferliegenden psychologischen Mechanismen, die unser emotionales Gleichgewicht steuern. Was, wenn die wahre Lösung nicht darin liegt, noch mehr To-Do-Listen abzuarbeiten, sondern darin, unsere innere Haltung und unsere Bewältigungsstrategien fundamental zu trainieren? Psychische Stabilität ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine erlernbare Fähigkeit – eine Art seelisches Immunsystem, das wir gezielt stärken können.
Dieser Leitfaden geht deshalb einen Schritt weiter. Aus der Perspektive eines auf Resilienz spezialisierten Psychologen beleuchten wir nicht nur das „Was“, sondern vor allem das „Warum“ und das „Wie“. Wir analysieren die spezifischen Herausforderungen im Schweizer Kontext, von der leistungsorientierten Arbeitskultur bis hin zu den Besonderheiten des Gesundheitssystems. Sie lernen, Ihre eigenen Muster zu erkennen, dysfunktionale Verhaltensweisen zu durchbrechen und die wissenschaftlich fundierten Säulen des Wohlbefindens gezielt in Ihren Alltag zu integrieren. Es ist ein Weg von der passiven Reaktion auf Stress hin zur aktiven Gestaltung Ihrer mentalen Gesundheit.
Dieser Artikel bietet Ihnen einen strukturierten Überblick über die wichtigsten Aspekte der psychischen Stabilität. Er führt Sie von der Analyse der Ursachen bis hin zu konkreten, wissenschaftlich erprobten Techniken, die Sie sofort anwenden können.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Wegweiser zur mentalen Stabilität
- Warum sind 20% der Schweizer von Burnout bedroht trotz Wohlstand und Sicherheit?
- Vom Gedankenkarussell zur inneren Ruhe: Die 6 Werkzeuge für psychische Stabilität
- Psychotherapie oder Selbstmanagement: Welcher Weg hilft bei welcher Belastung?
- Wenn Alkohol, Arbeit oder Social Media zur Flucht werden: Dysfunktionale Stressbewältigung
- Vorübergehendes Tief oder Depression: Ab wann zum Psychologen gehen?
- Die 5 Säulen des Wohlbefindens: Was wissenschaftlich erwiesene Zufriedenheit erhöht
- Der Trainings-Exzess, der Gelenke zerstört und Immunsystem schwächt
- Stress-Level senken: Welche Techniken reduzieren nachweislich Ihre tägliche Belastung?
Warum sind 20% der Schweizer von Burnout bedroht trotz Wohlstand und Sicherheit?
Es ist ein Paradox, das viele beschäftigt: Die Schweiz gilt als eines der wohlhabendsten und sichersten Länder der Welt, und dennoch fühlen sich immer mehr Menschen ausgebrannt und emotional erschöpft. Die im Titel erwähnten 20% sind eine konservative Schätzung; neuere Daten zeichnen ein noch deutlicheres Bild. Laut der CSS-Gesundheitsstudie 2024 geben nur noch 68% der Befragten an, definitiv noch nie eine Burnout-Erfahrung gemacht zu haben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass fast ein Drittel der Bevölkerung bereits mit den Symptomen des Ausgebranntseins in Berührung gekommen ist. Dies ist nicht nur eine individuelle Tragödie, sondern hat auch massive volkswirtschaftliche Konsequenzen, die sich auf jährlich rund 6,5 Milliarden Franken an Produktivitätsverlusten für Schweizer Betriebe belaufen.
Doch warum ist das so? Ein wesentlicher Faktor liegt in der tief verankerten Leistungskultur. Der hohe Lebensstandard ist untrennbar mit hohen Erwartungen an die eigene Produktivität und Perfektion verbunden. Dieser äussere Druck wird oft verinnerlicht und führt zu einem unerbittlichen inneren Antreiber. Die Grenzen zwischen engagierter Arbeit und selbstzerstörerischer Überlastung verschwimmen. Hinzu kommt eine hohe Arbeitsintensität und die ständige Erreichbarkeit durch digitale Technologien, die kaum noch echte Erholungsphasen zulassen.
Ein weiterer subtiler, aber wirkmächtiger Grund ist die soziale Akzeptanz. Von einem Burnout zu sprechen ist in vielen Kreisen „salonfähiger“ als das Eingeständnis anderer psychischer Belastungen wie Depressionen oder Angststörungen. Ausgebranntsein suggeriert, dass man zuvor übermässig geleistet hat – es wird fast zu einem zweifelhaften Statussymbol für Fleiss. Diese Haltung verhindert oft eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den wahren Ursachen des Stresses und begünstigt dysfunktionale Bewältigungsstrategien, anstatt eine nachhaltige psychologische Flexibilität zu fördern.
Vom Gedankenkarussell zur inneren Ruhe: Die 6 Werkzeuge für psychische Stabilität
Psychische Stabilität zu erlangen bedeutet nicht, keine negativen Gedanken oder Gefühle mehr zu haben. Es ist vielmehr die Fähigkeit, diesen mit einer gewissen Distanz zu begegnen und handlungsfähig zu bleiben. Es geht um die bewusste Ressourcenaktivierung – also das gezielte Nutzen innerer und äusserer Hilfsmittel. Anstatt auf grosse Lebensveränderungen zu warten, liegt die Kraft oft in kleinen, aber beständig angewandten Techniken. Hier sind sechs wissenschaftlich fundierte Werkzeuge, die speziell auf den Schweizer Alltag zugeschnitten sind.
Das erste Werkzeug ist die kognitive Defusion: Lernen Sie, Ihre Gedanken als vorübergehende mentale Ereignisse zu betrachten, nicht als absolute Wahrheiten. Statt zu denken „Ich bin ein Versager“, formulieren Sie um: „Ich habe den Gedanken, dass ich ein Versager bin.“ Dieser kleine sprachliche Trick schafft sofort eine heilsame Distanz. Zweitens, nutzen Sie die Technik der geplanten Sorgenzeit. Anstatt sich den ganzen Tag von Sorgen lähmen zu lassen, reservieren Sie sich täglich 15 Minuten, in denen Sie sich bewusst mit Ihren Ängsten auseinandersetzen. Ausserhalb dieser Zeit schieben Sie aufkommende Sorgen konsequent auf später.

Als drittes Werkzeug dient die achtsame Wahrnehmung im Alltag. Dies muss keine stundenlange Meditation sein. Nutzen Sie die Pendelzeit in der SBB für eine 5-Minuten-Atemübung oder konzentrieren Sie sich auf dem Weg zur Arbeit voll und ganz auf die Geräusche und Gerüche um Sie herum. Viertens, praktizieren Sie bewusste Mikro-Abenteuer. Das dichte Netz von 65’000 km Wanderwegen in der Schweiz lädt dazu ein. Es geht nicht um den Gipfelsturm, sondern um einen regenerativen Spaziergang entlang der Aare oder auf dem Uetliberg, bei dem der Fokus auf der Natur und der Bewegung liegt. Fünftens, das bewusste Setzen von Grenzen. Etablieren Sie eine klare Feierabendkultur. Ein einfaches Ritual, wie das bewusste Ausschalten des Arbeitslaptops, signalisiert dem Gehirn das Ende des Arbeitstages. Schliesslich ist das sechste Werkzeug die soziale Einbindung. Aktivieren Sie Ihr soziales Netz, sei es durch die reiche Schweizer Vereinskultur beim Jassen oder im Sportverein. Echte menschliche Verbindungen sind einer der stärksten Puffer gegen Stress.
Psychotherapie oder Selbstmanagement: Welcher Weg hilft bei welcher Belastung?
Wenn die psychische Belastung überhandnimmt, stellt sich oft die Frage nach dem richtigen Weg: Reichen Selbsthilfetechniken aus oder ist eine professionelle Psychotherapie notwendig? Die Antwort hängt stark von der Art und Schwere der Symptome ab. Grundsätzlich gilt: Selbstmanagement-Techniken wie Achtsamkeits-Apps, Online-Kurse oder Stressbewältigungsbücher eignen sich hervorragend für die Prävention und den Umgang mit leichten bis moderaten Belastungen. Sie sind sofort verfügbar und kostengünstig. Bei diagnostizierten psychischen Störungen wie einer Depression, Angststörung oder den Folgen eines Traumas stossen sie jedoch an ihre Grenzen.
Hier kommt die Psychotherapie ins Spiel. In der Schweiz wurde der Zugang hierzu mit der Einführung des Anordnungsmodells am 1. Juli 2022 grundlegend reformiert. Psychologische Psychotherapie kann seither von einem Hausarzt oder Psychiater angeordnet werden und wird von der obligatorischen Grundversicherung übernommen. Dies hat die Hürden für den Zugang zu professioneller Hilfe deutlich gesenkt. Der zweite Monitoringbericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigt, dass seit der Einführung die Kosten von 528 Millionen Franken auf 922 Millionen Franken gestiegen sind, was die hohe Inanspruchnahme unterstreicht. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, das System zu verstehen, um es für sich nutzen zu können.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Unterschiede und hilft Ihnen bei der Einschätzung, welcher Weg für Ihre Situation der passende sein könnte.
| Aspekt | Psychotherapie (Anordnungsmodell) | Selbstmanagement |
|---|---|---|
| Kostenübernahme | Grundversicherung übernimmt bei ärztlicher Anordnung (Initial 15 Sitzungen, dann weitere 15, ab 30 mit Kostengutsprache) | Eigenfinanzierung oder teilweise Zusatzversicherung |
| Tarif 2024/2025 | CHF 154.80 pro Stunde (provisorisch) | Apps: CHF 0-30/Monat, Kurse: CHF 50-200 |
| Zugang | Anordnung durch Hausarzt oder Psychiater nötig | Sofort verfügbar, keine Wartezeiten |
| Eignung für | Diagnostizierte psychische Störungen, schwere Belastungen | Präventiv, leichte Belastungen, Stressbewältigung |
Die Entscheidung ist keine Entweder-oder-Frage. Oft ist eine Kombination sinnvoll: Eine Therapie kann durch Selbstmanagement-Strategien begleitet werden, um die erlernten Fähigkeiten im Alltag zu festigen. Die Entwicklung von System-Kompetenz – also das Wissen, wann und wie man die richtigen Ressourcen im Schweizer Gesundheitssystem aktiviert – ist ein entscheidender Schritt zur Selbstermächtigung.
Wenn Alkohol, Arbeit oder Social Media zur Flucht werden: Dysfunktionale Stressbewältigung
Unter Druck greifen wir oft unbewusst zu Verhaltensweisen, die kurzfristig Erleichterung versprechen, langfristig aber schaden. Diese dysfunktionalen Bewältigungsstrategien sind eine Flucht vor unangenehmen Gefühlen. Anstatt uns mit der Wurzel des Stresses auseinanderzusetzen, betäuben wir die Symptome. In der Schweiz sind besonders zwei Muster verbreitet: die Flucht in die Arbeit (Workaholismus) und der kompensatorische Alkoholkonsum, oft verharmlost als Teil der „Apéro-Kultur“.
Die Flucht in die Arbeit ist gesellschaftlich hoch angesehen. Wer bis spät im Büro bleibt, gilt als engagiert und fleissig. Wie bereits erwähnt, fällt es vielen Menschen leichter, von einem Burnout zu sprechen als von anderen psychischen Problemen, da das Ausgebranntsein suggeriert, dass man viel geleistet hat. Diese Haltung macht Arbeitssucht zu einer besonders tückischen Falle. Sie liefert eine ständige externe Validierung und lenkt von innerer Leere oder Ängsten ab. Ähnlich funktioniert die Flucht in Social Media: Das endlose Scrollen bietet eine passive Ablenkung, die das Gehirn mit kleinen Dopamin-Schüben belohnt, aber keine echte Erholung oder Problemlösung bietet.
Der erste Schritt zur Veränderung ist das ehrliche Erkennen dieser Muster. Fragen Sie sich: Nutze ich dieses Verhalten, um einem unangenehmen Gefühl auszuweichen? Dient es mir langfristig oder schafft es neue Probleme? Wenn die Antwort darauf hindeutet, dass eine Gewohnheit zur Belastung wird, ist es wichtig, gezielt gegenzusteuern. Dies bedeutet, funktionale Strategien zu erlernen – wie zum Beispiel Sport, Gespräche mit Freunden oder kreative Hobbys –, die Stress tatsächlich abbauen, anstatt ihn nur zu überdecken. Wenn eine Verhaltensweise bereits suchtartige Züge angenommen hat, ist es entscheidend, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ihr Plan zur Ressourcenaktivierung: Anlaufstellen in der Schweiz
- Informations-Hub prüfen: Besuchen Sie die Webseite von Sucht Schweiz (www.suchtschweiz.ch), um sich einen Überblick über Substanzen und Verhaltenssüchte zu verschaffen.
- Lokale Beratung finden: Suchen Sie die nächstgelegene kantonale Suchtberatungsstelle. Ein kostenloses Erstgespräch ist in der Regel niederschwellig möglich.
- Akut-Hilfe kennen: Speichern Sie die Nummer der Dargebotenen Hand (Tel 143) in Ihrem Telefon. Sie ist rund um die Uhr erreichbar, anonym und vertraulich.
- Spezifische Hilfe evaluieren: Prüfen Sie Angebote wie das Blaue Kreuz für Alkoholprobleme oder spezifische Beratungen für Medien- oder Arbeitssucht in Ihrer Region.
- Datenbasis verstehen: Werfen Sie einen Blick auf das Suchtmonitoring Schweiz, um die gesellschaftliche Dimension des Problems besser einzuordnen und Präventionsansätze zu verstehen.
Vorübergehendes Tief oder Depression: Ab wann zum Psychologen gehen?
Jeder Mensch erlebt Phasen, in denen er sich niedergeschlagen, antriebslos oder traurig fühlt. Ein solches Stimmungstief ist eine normale Reaktion auf Belastungen, Enttäuschungen oder Verluste. Die entscheidende Frage ist: Wann handelt es sich um eine vorübergehende Krise und wann könnten die Symptome auf eine behandlungsbedürftige Depression hindeuten? Als Faustregel gilt: Wenn Symptome wie anhaltende gedrückte Stimmung, Interessen- oder Freudlosigkeit und vermehrte Ermüdbarkeit über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen anhalten und den Alltag spürbar beeinträchtigen, sollte professioneller Rat eingeholt werden.
Weitere Warnsignale können Schlafstörungen (zu viel oder zu wenig Schlaf), Appetitveränderungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gefühle von Wertlosigkeit oder übermässige Schuldgefühle sein. Der Unterschied zu einem normalen Tief liegt nicht nur in der Dauer, sondern auch in der Intensität und der Allgegenwart der Symptome. Während man bei einem Tief noch Freude an bestimmten Aktivitäten empfinden kann, ist bei einer Depression oft eine generelle Unfähigkeit zu spüren, positive Emotionen zu erleben.
Der Gang zum Psychologen oder Psychiater ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Akt der Selbstfürsorge und ein Zeichen von Kompetenz im Umgang mit der eigenen Gesundheit. In der Schweiz ist der Hausarzt die erste und wichtigste Anlaufstelle. Er fungiert als « Gatekeeper » und kann nach einer ersten Einschätzung eine Anordnung für eine Psychotherapie ausstellen, wodurch die Kosten von der Grundversicherung getragen werden. Dieser Prozess wurde bewusst niederschwellig gestaltet, um Menschen den Zugang zu erleichtern.
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Warten Sie nicht, bis die Belastung unerträglich wird. Ein frühzeitiges Gespräch kann eine Chronifizierung der Symptome verhindern und den Weg zur Besserung erheblich verkürzen. Es geht darum, die Kontrolle zurückzugewinnen und die notwendigen Werkzeuge zu erhalten, um zukünftige Krisen besser bewältigen zu können.
Die 5 Säulen des Wohlbefindens: Was wissenschaftlich erwiesene Zufriedenheit erhöht
Mentale Balance ist mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit. Die Positive Psychologie hat erforscht, was ein Leben lebenswert macht und zu echtem Aufblühen führt. Das bekannteste Modell hierfür ist das PERMA-Modell von Martin Seligman, das fünf zentrale Säulen des Wohlbefindens beschreibt. Diese gezielt zu stärken, ist eine der wirksamsten Formen der Ressourcenaktivierung und Prävention gegen psychische Belastungen.
Die erste Säule sind Positive Emotionen (P). Es geht darum, aktiv für Momente der Freude, Dankbarkeit und Hoffnung im Alltag zu sorgen. Ein Dankbarkeitstagebuch kann hier ein wirksames Werkzeug sein. Die zweite Säule ist Engagement (E), auch bekannt als „Flow“. Diesen Zustand völliger Vertiefung in eine Tätigkeit erleben wir, wenn eine Herausforderung unseren Fähigkeiten entspricht. Ob bei der Arbeit, einem Hobby oder im Sport – Flow-Erlebnisse sind zutiefst befriedigend. Die dritte und vielleicht wichtigste Säule sind Positive Beziehungen (R). Der Mensch ist ein soziales Wesen. Tiefe, authentische Verbindungen zu anderen Menschen sind ein zentraler Schutzfaktor für die psychische Gesundheit. Die reiche Schweizer Vereinskultur, sei es beim Jassen, im Turnverein oder im Chor, bietet hierfür einen idealen Rahmen.

Die vierte Säule ist Sinn (M – Meaning). Das Gefühl, Teil von etwas Grösserem zu sein und einen Beitrag zu leisten, der über die eigene Person hinausgeht, ist eine starke Quelle für Resilienz. Dies kann sich im Beruf, in der Familie, im ehrenamtlichen Engagement oder in der Spiritualität manifestieren. Die fünfte Säule ist Zielerreichung (A – Accomplishment). Das Setzen und Erreichen von Zielen gibt uns ein Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit. Wichtig ist hierbei, sich realistische Ziele zu setzen und auch kleine Erfolge bewusst zu feiern.
Ein zusätzlicher, für die Schweiz besonders relevanter Faktor ist der Naturkontakt. Wie Studien zur sogenannten Ökomedizin zeigen, reduziert bereits ein kurzer Aufenthalt im Grünen nachweislich Stress, verbessert die Stimmung und fördert die kognitive Leistungsfähigkeit. Die allgegenwärtige Natur in der Schweiz ist somit eine frei verfügbare Ressource für unser Wohlbefinden.
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Der Trainings-Exzess, der Gelenke zerstört und Immunsystem schwächt
Sport und Bewegung sind unbestreitbar wichtige Säulen für die psychische und physische Gesundheit. Doch in einer leistungsorientierten Gesellschaft kann selbst diese positive Aktivität zu einer dysfunktionalen Bewältigungsstrategie werden. Wenn das Training nicht mehr der Freude an der Bewegung dient, sondern einem zwanghaften Drang, Leistung zu erbringen, Schmerz zu betäuben oder den eigenen Körper zu kontrollieren, spricht man von Trainingssucht oder einem Trainings-Exzess. Das Motto „viel hilft viel“ ist hier ein gefährlicher Trugschluss.
Chronisches Übertraining führt zu einem Zustand, den man als regenerative Belastung bezeichnen kann, die ins Negative kippt. Anstatt den Körper zu stärken, wird er systematisch überfordert. Die Folgen sind vielfältig: Das Immunsystem wird geschwächt, was zu erhöhter Infektanfälligkeit führt. Die Gelenke, Sehnen und Bänder werden überbeansprucht, was das Risiko für chronische Schmerzen und Verletzungen drastisch erhöht. Auf psychischer Ebene führt der Exzess zu Reizbarkeit, Schlafstörungen und paradoxerweise zu einem Abfall der Leistungsfähigkeit – sowohl im Sport als auch im Alltag. Man fühlt sich ständig müde und ausgelaugt.
Die Lösung liegt nicht darin, auf Bewegung zu verzichten, sondern die Dosis und die Intention zu verändern. Es geht darum, von leistungsorientiertem „Abarbeiten“ zu regenerativem „Auftanken“ zu wechseln. Die Wissenschaft bestätigt eindrücklich die Kraft der Mässigung, wie eine Studie zur Wirkung von Bewegung auf die Psyche zeigt. Der Gesundheitskongress Wandern fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen:
Ein Experiment mit drei Gruppen von Student*innen kam zu dem Ergebnis, dass bereits Spaziergänge nach stressigen Erlebnissen eine deutlich positivere Wirkung auf die Psyche haben, als andere niederschwellige Aktivitäten.
– Gesundheitskongress Wandern, Studie zur Wirkung moderater Bewegung
Anstatt sich also zum nächsten Marathon zu zwingen, könnte ein ausgedehnter Spaziergang in der Natur oder eine moderate Yoga-Einheit die weitaus heilsamere Wirkung haben. Es geht darum, wieder in den eigenen Körper hineinzuhören und seine Signale von Müdigkeit und Erschöpfung ernst zu nehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Psychische Stabilität ist eine aktive Fähigkeit, die auf dem Verständnis eigener Muster und der gezielten Nutzung von Ressourcen beruht.
- Das Schweizer Gesundheitssystem bietet mit dem Anordnungsmodell einen klaren und versicherten Zugang zu professioneller Psychotherapie.
- Moderate, regenerative Bewegung ist oft wirksamer zur Stressreduktion als exzessives, leistungsorientiertes Training.
Stress-Level senken: Welche Techniken reduzieren nachweislich Ihre tägliche Belastung?
Die tägliche Belastung in Beruf und Alltag nimmt für viele Menschen in der Schweiz stetig zu. Dies ist keine reine Gefühlssache, sondern statistisch belegt. Eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass sich der Anteil der Personen, die sich bei der Arbeit gestresst fühlen, innert zehn Jahren von 18% auf 23% erhöht hat. Besonders alarmierend ist, dass mehr als die Hälfte dieser gestressten Personen sich zudem emotional erschöpft fühlt – ein klares Vorzeichen für Burnout. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, braucht es effektive und wissenschaftlich fundierte Techniken, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen.
Eine der wirksamsten Methoden zur sofortigen Stressreduktion ist die kontrollierte Atmung. Techniken wie die Box-Atmung (4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden Luft anhalten, 4 Sekunden ausatmen, 4 Sekunden anhalten) aktivieren den Parasympathikus, den Teil unseres Nervensystems, der für Ruhe und Erholung zuständig ist. Nur wenige Minuten dieser Übung können das physiologische Stressniveau messbar senken. Eine weitere mächtige Technik ist das Grounding. Wenn Sie sich von Gedanken oder Ängsten überwältigt fühlen, konzentrieren Sie sich auf Ihre fünf Sinne: Nennen Sie fünf Dinge, die Sie sehen, vier Dinge, die Sie fühlen (z.B. die Füsse auf dem Boden), drei Dinge, die Sie hören, zwei Dinge, die Sie riechen, und eine Sache, die Sie schmecken können. Dies holt Sie aus dem Kopfkino zurück in die Gegenwart.
Langfristig ist der Aufbau einer Achtsamkeitspraxis zentral. Dies muss nicht bedeuten, täglich eine Stunde auf dem Meditationskissen zu sitzen. Beginnen Sie mit 5-10 Minuten pro Tag, unterstützt durch Apps wie Headspace oder Calm. Das Ziel ist es, die Fähigkeit zu trainieren, Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne sich von ihnen mitreissen zu lassen. Diese Techniken sind keine Wundermittel, sondern Fertigkeiten. Ihre Wirksamkeit entfaltet sich durch regelmässige Anwendung. Sie bauen schrittweise eine Pufferzone zwischen einem Stressauslöser und Ihrer Reaktion darauf auf und vergrössern so Ihren Handlungsspielraum.
Der erste Schritt zur Veränderung ist die Entscheidung, die eigene mentale Gesundheit zur Priorität zu machen. Beginnen Sie noch heute damit, eine dieser Strategien in Ihren Alltag zu integrieren und beobachten Sie, wie sich Ihre innere Balance schrittweise verbessert.
Häufige Fragen zum Thema Mentale Balance bewahren: Wie bleiben Sie psychisch stabil in einer überfordernden Welt?
Welche Rolle spielt der Hausarzt beim Zugang zur Psychotherapie?
Der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle und ‘Gatekeeper’ im Schweizer System. Seit 2022 kann er/sie Psychotherapie direkt anordnen, was den Zugang deutlich vereinfacht hat.
Wann sollte ich professionelle Hilfe suchen?
Wenn Symptome wie Schlafstörungen, Energielosigkeit oder Traurigkeit länger als 2 Wochen anhalten oder den Alltag beeinträchtigen, ist ein Gespräch mit dem Hausarzt ratsam.
Welche Notfallnummern gibt es in der Schweiz?
Die Dargebotene Hand (Tel 143) ist 24/7 erreichbar. Jeder Kanton hat zudem eigene psychiatrische Notfalldienste. Die Termine für Erstgespräche können über die Terminservicestelle unter 116 117 vereinbart werden.