Publié le 11 avril 2024

Die grösste Wirkung im Umweltschutz erzielen Sie nicht durch eine Vielzahl kleiner Handlungen, sondern durch die Konzentration auf Massnahmen mit der grössten Hebelwirkung.

  • Die Vermeidung eines einzigen Kurzstreckenflugs hat eine um Grössenordnungen höhere Klimawirkung als jahrelanges, perfektes Haushaltsrecycling.
  • Investitionen in Energieeffizienz, wie Gebäudesanierungen, sparen oft mehr CO₂ pro Franken als Investitionen in neue erneuerbare Energien.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihren Lebensstil und Ihre Einflussmöglichkeiten konsequent auf die grössten Emissionstreiber und setzen Sie gezielt dort an, anstatt Ihre Energie in symbolische Handlungen zu investieren.

Viele umweltbewusste Bürger in der Schweiz fragen sich: Was kann ich wirklich tun? Die Flut an gut gemeinten Ratschlägen ist überwältigend. Wir trennen Abfall, kaufen regional ein und versuchen, Plastik zu vermeiden. Dies sind alles lobenswerte Schritte, die ein wichtiges Bewusstsein schaffen. Doch in der Praxis erleben wir eine wachsende Frustration, wenn die globalen Emissionskurven und der Biodiversitätsverlust trotz unserer Bemühungen weiter eskalieren.

Das Problem liegt oft nicht im mangelnden Willen, sondern in einer falschen Priorisierung. Wir neigen dazu, uns auf sichtbare, leicht umsetzbare, aber oft wenig wirksame Symbolmassnahmen zu konzentrieren. Doch was, wenn der wahre Schlüssel zur ökologischen Verbesserung nicht darin liegt, alles ein bisschen besser zu machen, sondern gezielt die Massnahmen mit der grössten Hebelwirkung zu identifizieren und umzusetzen? Was, wenn die Konzentration auf wenige, aber hocheffektive Veränderungen mehr bewirkt als Hunderte kleiner Gesten?

Dieser Artikel verlässt den Pfad der allgemeinen Empfehlungen. Aus der Perspektive eines praxisorientierten Umweltwissenschaftlers analysieren wir, wo die wahren Hebel für messbare Verbesserungen in der Schweiz liegen. Wir stellen die Effektivität verschiedener Ansätze auf den Prüfstand, von Recycling über politische Instrumente bis hin zur Kreislaufwirtschaft, um Ihnen einen klaren Kompass für wirkungsvolles Handeln zu geben. Es ist Zeit, von der gut gemeinten Geste zur gezielten Strategie zu wechseln.

Um diese komplexen Zusammenhänge zu verstehen, beleuchten wir in den folgenden Abschnitten verschiedene Aspekte des Umweltschutzes kritisch. Dieser Leitfaden bietet Ihnen eine strukturierte Übersicht, um die effektivsten Strategien für die Schweiz zu identifizieren.

Warum kompensiert das Recycling eines Haushalts nicht einen Kurzstreckenflug?

Die Vorstellung, dass viele kleine gute Taten eine grosse schlechte kompensieren können, ist im Umweltschutz ein weitverbreiteter Trugschluss. Das Verhältnis zwischen Haushaltsrecycling und Flugreisen ist das perfekte Beispiel für eine gestörte Impact-Hierarchie. Recycling ist wichtig für die Ressourcenschonung, aber seine Wirkung auf die CO₂-Bilanz wird systematisch überschätzt. So sparen alle Schweizer Recyclingsysteme gemeinsam rund 500’000 Tonnen CO₂eq pro Jahr. Das klingt nach viel, doch diese Zahl muss in Relation gesetzt werden.

Ein einziger Kurzstreckenflug von Zürich nach Berlin und zurück verursacht pro Person bereits etwa 0,5 Tonnen CO₂. Eine Reise mit dem Zug auf derselben Strecke ist rund dreissigmal klimafreundlicher. Wie eine Analyse von umverkehr.ch zeigt, liegen knapp 80 % der Zieldestinationen ab der Schweiz in Europa, was ein enormes Verlagerungspotenzial aufzeigt. Wenn nur 100’000 Personen auf einen solchen innereuropäischen Flug verzichten, wird die gesamte jährliche CO₂-Einsparung des Schweizer Recyclings bereits neutralisiert. Hier zeigt sich die immense Hebelwirkung bestimmter Konsumentscheidungen.

Das bedeutet nicht, dass Recycling sinnlos ist. Es ist ein zentraler Baustein einer Kreislaufwirtschaft und reduziert den Primärrohstoffverbrauch erheblich. Es lehrt uns einen bewussten Umgang mit Materialien. Aber im Kampf gegen die Klimakrise ist es eine Massnahme mit geringer Hebelwirkung im Vergleich zur Vermeidung von Flügen, der Reduktion des Fleischkonsums oder der energetischen Sanierung des Eigenheims. Wer wirksam sein will, muss die grössten Posten seiner persönlichen Emissionsbilanz identifizieren und dort ansetzen.

Verbot, Steuer oder Nudging: Welches Instrument schützt Umwelt am effektivsten?

Wenn individuelle Verhaltensänderungen an ihre Grenzen stossen, rücken politische Instrumente in den Fokus. Grundsätzlich lassen sich drei Hauptkategorien unterscheiden: Verbote und Vorschriften (der regulative Ansatz), finanzielle Anreize wie Steuern und Subventionen (der ökonomische Ansatz) und « Nudging » oder Anstupsen (der verhaltenspsychologische Ansatz). Die Frage nach dem « effektivsten » Instrument hat keine pauschale Antwort; die Wirksamkeit hängt stark vom Kontext, dem Ziel und der gesellschaftlichen Akzeptanz ab.

Visuelle Darstellung verschiedener umweltpolitischer Massnahmen wie Verbote, Steuern und Anreize.

Verbote sind das schärfste Schwert. Sie sind wirksam, wenn ein bestimmtes Verhalten oder Produkt klar schädlich ist und es gute Alternativen gibt (z. B. FCKW-Verbot). Ihre Durchsetzung ist klar, aber sie können auf starken politischen Widerstand stossen. Steuern, wie eine CO₂-Abgabe oder eine Flugticketabgabe, setzen auf das Verursacherprinzip. Sie internalisieren externe Kosten und schaffen einen Anreiz zur Reduktion. In der Schweiz zeigen Umfragen eine erstaunlich hohe Akzeptanz für solche Massnahmen, wenn sie fair gestaltet sind. Laut einer Bevölkerungsumfrage von gfs-zürich sind 72 % der Befragten für die Einführung einer Flugticketabgabe. Gleichzeitig fördern Subventionen erwünschtes Verhalten. So wird das Gebäudeprogramm mit bis zu 450 Millionen Franken jährlich aus der CO₂-Abgabe unterstützt, was energetische Sanierungen ankurbelt.

Nudging ist der subtilste Ansatz. Er verändert die « Entscheidungsarchitektur », um Menschen sanft in eine umweltfreundlichere Richtung zu lenken, ohne etwas zu verbieten (z. B. vegetarische Menüs als Standardoption in einer Kantine). Dieser Ansatz ist oft kostengünstig und stösst auf wenig Widerstand, seine Wirkung ist aber meist begrenzter als bei harten Regulierungen oder starken finanziellen Anreizen. Eine effektive Umweltpolitik kombiniert daher oft alle drei Instrumente: Sie setzt klare Grenzen durch Verbote, schafft faire Anreize durch Steuern und Subventionen und unterstützt die Verhaltensänderung durch kluges Nudging.

Naturpark ausweisen oder degradierte Flächen wiederherstellen: Was wirkt langfristiger?

Im Bereich des Biodiversitätsschutzes stehen sich oft zwei Strategien gegenüber: der Schutz bestehender, hochwertiger Lebensräume durch die Ausweisung von Schutzgebieten und die aktive Wiederherstellung (Renaturierung) von degradierten Flächen. Beide Ansätze sind essenziell, doch sie haben unterschiedliche Stärken und Zeit-Horizonte.

Die Ausweisung eines Naturparks, wie des Schweizerischen Nationalparks, ist eine Schutzstrategie. Ziel ist es, ein weitgehend intaktes Ökosystem vor zukünftigen Eingriffen zu bewahren und die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen zu lassen. Der Nationalpark in Graubünden, der auf einer Fläche von 170 km² liegt, umfasst Höhenlagen von 1400 bis 3174 m ü. M., wobei laut offiziellen Angaben rund ein Drittel Wald und 20 % Alpweiden sind. Solche Schutzgebiete sind unersetzliche Refugien für die Artenvielfalt und spielen eine wichtige Rolle als Referenzflächen für die Wissenschaft. Ihre Wirkung ist langfristig gesichert, solange der Schutzstatus aufrechterhalten wird.

Die Renaturierung hingegen ist eine aktive Reparaturstrategie. Sie zielt darauf ab, zerstörte oder stark beeinträchtigte Ökosysteme wiederzubeleben. Ein eindrückliches Schweizer Beispiel ist die Renaturierung der Aue Chly Rhy im Kanton Aargau. Das Projekt zeigt, wie aus einem kanalisierten, artenarmen Flussabschnitt wieder eine dynamische Auenlandschaft mit hoher Biodiversität entstehen kann.

Fallbeispiel: Renaturierung der Aue Chly Rhy

Das Gebiet in Rietheim bei Zurzach war durch Flussbegradigungen stark degradiert. Durch gezielte Massnahmen wie die Reaktivierung von alten Flussarmen und die Schaffung von Flachwasserzonen wurde die natürliche Dynamik des Rheins wiederhergestellt. Heute ist die Aue Chly Rhy ein Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung, ein wichtiger Lebensraum für Watvögel, Amphibien und Pionierpflanzen sowie ein beliebtes Naherholungsgebiet. Dieses Projekt beweist, dass ökologische Wunden heilen können, wenn der politische Wille und das Fachwissen vorhanden sind.

Langfristig ist keine Strategie der anderen überlegen; sie sind komplementär. Der Schutz intakter Flächen ist oft kosteneffizienter und sicherer (« Prävention ist besser als Heilen »). Die Renaturierung ist jedoch unerlässlich, um den Nettoverlust an Lebensräumen zu stoppen und die Konnektivität zwischen Schutzgebieten wiederherzustellen. Für die Schweiz mit ihrer hohen Nutzungsdichte ist eine Doppelstrategie aus rigorosem Schutz der verbleibenden Perlen und ambitionierter Wiederherstellung von degradierten Flächen der einzig wirksame Weg.

Die CO2-Kompensation, die keine Tonne CO2 tatsächlich einspart

Die CO₂-Kompensation ist zu einem populären Instrument geworden, um das Gewissen bei unvermeidbaren Emissionen, etwa bei Flugreisen, zu erleichtern. Das Prinzip klingt einfach: Man zahlt einen Geldbetrag, der anderswo in ein Klimaschutzprojekt investiert wird, das die gleiche Menge CO₂ einsparen soll. Doch die Realität ist komplex, und viele Kompensationsprojekte halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Das grösste Problem ist die sogenannte « Zusätzlichkeit »: Hätte das Projekt auch ohne die Kompensationsgelder stattgefunden? Wenn ja, wird keine einzige zusätzliche Tonne CO₂ eingespart.

Kritische Darstellung der CO2-Kompensation mit einer Hand, die ein Flugzeugmodell hält, und einer anderen, die einen jungen Baum hält.

Viele Projekte, insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien in Schwellenländern, sind heute oft auch ohne Zertifikateverkauf rentabel. Waldschutzprojekte sind ebenfalls heikel: Es ist schwer zu beweisen, dass ein Waldstück ohne das Projekt tatsächlich abgeholzt worden wäre (« vermiedene Entwaldung »). Ausserdem besteht das Risiko der Verlagerung, bei der die Abholzung einfach im Nachbargebiet stattfindet. Im schlimmsten Fall finanziert die Kompensation also eine Einsparung, die ohnehin passiert wäre, und dient lediglich als « moderner Ablasshandel », der Verhaltensänderungen verhindert.

Diese kritische Sicht wird durch die Dringlichkeit der Lage untermauert. Es geht nicht nur um CO₂. Wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) festhält, sind umfassendere Veränderungen nötig.

Die Schweiz hat die planetaren Grenzen vor allem beim Klima, der Biodiversität und beim Stickstoff überschritten.

– Bundesamt für Umwelt, Umweltverantwortung Initiative Dokumentation

Diese Aussage macht deutlich, dass ein eindimensionaler Fokus auf CO₂-Kompensation die anderen, ebenso gravierenden Krisen ignoriert. Echte Wirkung entsteht durch absolute Reduktion von Emissionen und Ressourcenverbrauch an der Quelle, nicht durch deren rechnerische Verlagerung. Hochwertige Kompensationsprojekte, die nach strengsten Standards (z.B. Gold Standard) zertifiziert sind und nachweislich zusätzlich sind, können eine Übergangslösung sein. Die Priorität muss aber immer lauten: Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren.

Artenschutz jetzt oder Klimaschutz: Welche Umweltkrise zuerst angehen?

Die Debatte, ob dem Klimaschutz oder dem Artenschutz Priorität eingeräumt werden sollte, ist irreführend. Sie konstruiert einen falschen Gegensatz zwischen zwei Krisen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Der Klimawandel ist einer der grössten Treiber des Artensterbens, während intakte Ökosysteme und eine hohe Biodiversität entscheidend für die Klimaregulation sind. Anstatt « entweder/oder » zu fragen, müssen wir « sowohl/als auch »-Lösungen finden, die Synergien nutzen.

Solche integrierten Ansätze werden oft als « naturbasierte Lösungen » (Nature-based Solutions) bezeichnet. Sie nutzen die Kraft der Natur, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Ein Paradebeispiel dafür findet sich in der Schweiz. In der Schweiz gibt es laut dem Netzwerk Schweizer Pärke 20 Pärke von nationaler Bedeutung, die als Modellregionen für solche integrierten Ansätze dienen. Ein herausragendes Beispiel sind die Hochmoore.

Fallbeispiel: Hochmoore im UNESCO-Biosphärenreservat Entlebuch

Die Hochmoore in der Moorlandschaft des Entlebuchs sind Hotspots der Biodiversität und gleichzeitig gigantische Kohlenstoffspeicher. Intakte Moore binden grosse Mengen CO₂ im Torf und entziehen es so dauerhaft der Atmosphäre. Werden sie entwässert, setzen sie dieses CO₂ wieder frei. Der Schutz und die Wiedervernässung von Mooren ist daher eine effektive Massnahme für den Klimaschutz. Gleichzeitig sichert er den Lebensraum für hochspezialisierte und seltene Arten wie den fleischfressenden Sonnentau oder das Birkhuhn. Die SRF-Dokumentation über Perlen der Biodiversität hebt hervor, wie hier Klima- und Artenschutz perfekt Hand in Hand gehen.

Ähnliche Synergien gibt es in vielen Bereichen: Die Wiederherstellung von Wäldern und Auen schützt nicht nur Arten, sondern verbessert auch den Wasserhaushalt und bindet CO₂. Eine agrarökologische Landwirtschaft fördert die Bodenfruchtbarkeit (und damit die CO₂-Speicherung im Boden) und bietet Lebensraum für Insekten. Die wirksamste Umweltstrategie priorisiert daher nicht eine Krise über die andere, sondern investiert gezielt in Projekte, die beide Probleme gleichzeitig adressieren. Dies ist der Inbegriff von ökologischer Hebelwirkung.

Gletscherschmelze stoppen: Welche konkreten Schutzstrategien in den Schweizer Alpen wirken?

Die schmelzenden Gletscher sind das sichtbarste Symbol der Klimakrise in der Schweiz. Angesichts der dramatischen Bilder stellt sich die Frage nach konkreten Gegenmassnahmen. In den letzten Jahren wurden verschiedene lokale Schutzstrategien erprobt, deren Wirksamkeit und Skalierbarkeit jedoch sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Sie zeigen exemplarisch den Unterschied zwischen symptomatischer Behandlung und ursächlicher Problemlösung.

Die bekannteste Massnahme ist das Abdecken von Gletschern mit weissen Vliesplanen. Dieses Verfahren wird in der Schweiz beispielsweise am Rhonegletscher oder in verschiedenen Skigebieten angewendet, um das Abschmelzen im Sommer zu reduzieren und wertvollen Schnee für die nächste Saison zu konservieren. Die Methode funktioniert lokal: Das Vlies reflektiert die Sonneneinstrahlung und isoliert das Eis. Die Reduktion der Schmelze kann an den abgedeckten Stellen bis zu 70 % betragen.

Die Grenzen dieser Strategie sind jedoch offensichtlich. Sie ist extrem kosten- und arbeitsintensiv und daher nur für sehr kleine, wirtschaftlich bedeutsame Flächen realistisch. Eine flächendeckende Anwendung auf alle Alpengletscher ist undenkbar. Zudem werfen die Planen selbst ökologische Fragen auf, etwa durch die Produktion und Entsorgung des Kunststoffs oder die Freisetzung von Mikroplastik. Es ist eine klassische Symbolmassnahme: medial wirksam, aber ohne Einfluss auf das Gesamtproblem. Sie bekämpft das Symptom (die lokale Schmelze), nicht die Ursache (die globale Erwärmung).

Die einzig wirklich wirksame und langfristige Strategie zum Schutz der Gletscher ist daher die radikale und schnelle Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen. Jeder Zehntelgrad vermiedener Erwärmung verlangsamt die Gletscherschmelze. Der wirksamste Beitrag der Schweiz zum Gletscherschutz liegt also nicht im Ausrollen von Planen in den Alpen, sondern in einer ambitionierten nationalen und internationalen Klimapolitik, die auf die Dekarbonisierung von Verkehr, Gebäuden, Industrie und Landwirtschaft abzielt.

Warum spart 1 CHF in Effizienz mehr CO2 als 3 CHF in erneuerbare Energien?

Das Prinzip « Negawatt vor Megawatt » ist eine der fundamentalsten, aber oft übersehenen Weisheiten der Energiepolitik. Es besagt, dass es in der Regel günstiger und ökologisch sinnvoller ist, Energie gar nicht erst zu verbrauchen (Effizienz), als die gleiche Menge Energie mit neuen Anlagen zu erzeugen, selbst wenn diese erneuerbar sind. Die nicht verbrauchte Kilowattstunde ist die sauberste und billigste. Dieses Prinzip lässt sich am Schweizer Gebäudesektor eindrücklich belegen.

Ein Neubau nach Minergie-Standard ist ein Paradebeispiel für Energieeffizienz. Er zeichnet sich durch eine exzellente Wärmedämmung, eine dichte Gebäudehülle und eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung aus. Der Effekt ist messbar: Ein Minergie-Neubau verbraucht laut offiziellen Angaben maximal 55 kWh pro Quadratmeter und Jahr für Heizung, Warmwasser und Lüftung, während ein gewöhnlicher Neubau nach gesetzlichem Minimum bei rund 70 kWh/m² liegt. Der Unterschied zu unsanierten Altbauten, die oft über 200 kWh/m² benötigen, ist gewaltig. Die Investition in die Gebäudehülle und Technik zahlt sich über Jahrzehnte durch massiv tiefere Energiekosten aus.

Der kumulierte Effekt dieser Effizienzmassnahmen ist enorm. Seit der Einführung des Labels im Jahr 1998 haben Minergie-Gebäude in der Schweiz über 11 Millionen Tonnen CO₂ eingespart. Um die gleiche Menge CO₂-Reduktion durch den Zubau von Photovoltaik-Anlagen zu erreichen, wären weitaus höhere Investitionen nötig gewesen. Denn eine PV-Anlage muss erst gebaut werden (was Energie und Ressourcen kostet) und ersetzt dann über ihre Lebensdauer fossile Energieträger. Eine Effizienzmassnahme hingegen vermeidet den Verbrauch von vornherein – sofort und dauerhaft. Die Investition in Dämmung spart also jede einzelne Kilowattstunde, die sonst über 50 Jahre lang zum Heizen benötigt würde.

Deshalb ist die Effizienz der grösste Hebel. Jeder in Isolation, Fenster oder eine effiziente Heizung investierte Franken vermeidet mehr CO₂ als ein Franken, der in die Produktion neuer Energie fliesst, um ein schlecht isoliertes Haus zu heizen. Die Priorität muss daher lauten: Zuerst den Verbrauch senken, dann den Restbedarf erneuerbar decken.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fokus auf Hebelwirkung: Konzentrieren Sie Ihre Anstrengungen auf Massnahmen mit hohem Einfluss (z. B. Flugvermeidung, Energieeffizienz) statt auf rein symbolische Akte.
  • System vor Individuum: Wirkliche Veränderung erfordert politische Rahmenbedingungen (Steuern, Förderprogramme), die umweltfreundliches Verhalten zur einfachsten und günstigsten Option machen.
  • Synergien nutzen: Bevorzugen Sie Lösungen, die mehrere Umweltprobleme gleichzeitig angehen, wie der Schutz von Mooren, der sowohl dem Klima als auch der Biodiversität dient.

Kreislaufwirtschaft leben: Wie reduzieren Haushalte und Firmen Ressourcenverbrauch um 60%?

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Paradigmenwechsel weg von der linearen « Wegwerfgesellschaft » (produzieren, nutzen, entsorgen) hin zu einem geschlossenen System. Das Ziel ist, Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten und Abfall auf ein Minimum zu reduzieren. Eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs um 60 % ist ambitioniert, aber durch eine Kombination aus strategischem Design, neuen Geschäftsmodellen und bewusstem Konsum erreichbar. Recycling ist dabei nur der letzte Schritt.

Die eigentliche Hebelwirkung der Kreislaufwirtschaft liegt in den vorgelagerten Stufen: Reduce, Reuse, Repair (Reduzieren, Wiederverwenden, Reparieren). Für Schweizer Haushalte und Unternehmen gibt es bereits zahlreiche konkrete Ansatzpunkte, um diese Prinzipien zu leben. Es geht darum, Besitz durch Nutzung zu ersetzen und die Lebensdauer von Produkten radikal zu verlängern. Obwohl das Schweizer Recyclingsystem bereits eine beachtliche Leistung erbringt und laut Swiss Recycle jährlich eine Umweltbelastung von rund 2’120 Milliarden Umweltbelastungspunkten einspart, kratzt dies nur an der Oberfläche des Potenzials einer echten Kreislaufwirtschaft.

Die Umsetzung erfordert ein Umdenken bei Konsumenten und Produzenten. Unternehmen müssen Produkte so gestalten, dass sie langlebig, modular und einfach zu reparieren sind. Konsumenten können durch bewusste Entscheidungen den Wandel vorantreiben, indem sie Reparaturdienste nutzen, gebrauchte Waren kaufen oder auf Sharing-Modelle umsteigen. Die folgende Checkliste zeigt praktische Schritte für den Alltag in der Schweiz auf.

Ihr Aktionsplan für einen kleineren Ressourcen-Fussabdruck

  1. Reparieren statt ersetzen: Nutzen Sie systematisch das Netzwerk der Schweizer Reparatur-Cafés für defekte Geräte oder suchen Sie professionelle Reparaturbetriebe auf, bevor Sie einen Neukauf in Betracht ziehen.
  2. Secondhand als erste Wahl: Inventarisieren Sie Plattformen wie Ricardo, Tutti oder lokale Brockenhäuser als Ihre primäre Anlaufstelle für Möbel, Elektronik und Kleidung.
  3. Leihen statt besitzen: Prüfen Sie für selten genutzte Gegenstände (Bohrmaschine, Festzelt) die Angebote von lokalen « Bibliotheken der Dinge » oder Sharing-Plattformen in Ihrer Gemeinde.
  4. Lebensmittelverschwendung aktiv bekämpfen: Installieren und nutzen Sie Apps wie « Too Good To Go », um übrig gebliebene Lebensmittel von Restaurants und Geschäften zu einem reduzierten Preis zu retten.
  5. « Product-as-a-Service »-Modelle prüfen: Erkundigen Sie sich bei Anschaffungen von Elektronik oder Möbeln nach Miet- oder Leasingmodellen, bei denen der Hersteller Eigentümer bleibt und für Wartung und Rücknahme verantwortlich ist.

Indem wir diese vorgelagerten Strategien priorisieren, reduzieren wir den Bedarf an neuen Rohstoffen und Energie weitaus effektiver als durch reines Recycling. So wird die Kreislaufwirtschaft von einem theoretischen Konzept zu einer gelebten Realität mit messbarer Wirkung.

Die hier vorgestellten Strategien zeigen, dass wirksamer Umweltschutz eine Frage der richtigen Prioritäten ist. Indem Sie sich auf die Massnahmen mit der grössten Hebelwirkung konzentrieren, können Sie einen messbaren Beitrag leisten. Der nächste logische Schritt ist, diese Erkenntnisse auf Ihre persönliche Situation oder Ihr Unternehmen anzuwenden und eine eigene Wirkungsanalyse durchzuführen.

Rédigé par Sabine Keller, Sabine Keller ist dipl. Umweltingenieurin ETH mit Spezialisierung auf erneuerbare Energien und Ressourcenmanagement. Seit 16 Jahren plant und begleitet sie als Beraterin Projekte im Bereich Energieeffizienz, Photovoltaik, Gewässerschutz und Kreislaufwirtschaft. Sie ist Inhaberin eines Ingenieurbüros für nachhaltige Energielösungen und engagiert sich in Fachgremien für Klimaschutz und Biodiversitätsförderung.